Therapie und Parkanlage – das Psychiatriezentrum Münsingen

19.12.2020

Bekannt wurde das Psychiatriezentrum Münsingen durch seinen berühmten Patienten, der Schweizer Kriminalautor Friedrich Glauser. Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert war Münsingen eine der wichtigsten psychiatrischen Kliniken der Schweiz und ist es bis heute geblieben. Immer wieder war das Psychiatriezentrum Vorreiter in wichtigen therapeutischen Feldern und ist durch seine riesige Gartenanlage ein wahres Naherholungsgebiet.

Das Psychiatriezentrum Münsingen in der Literatur

Im Kriminalroman Matto regiert, der dritte Wachtmeister-Studer-Roman des Schweizer Schriftstellers Friedrich Glauser (1896-1938), wird nach der Flucht eines Patienten aus einer Heil- und Pflegeanstalt die Leiche des Direktors gefunden. Im Laufe seiner Ermittlungen dringt Wachtmeister Studer immer tiefer in die dubiosen Machenschaften der Klinik ein. 
Dieser Schlüsselroman des bedeutenden Kriminalautors Friedrich Glauser ist voll von autobiographischen Informationen. Als Vorbild für seine fiktive Klinik diente Glauser das Psychiatriezentrum Münsingen, das er als Patient sehr gut kannte. Zum ersten Mal kam er 1918 nach Münsingen, nachdem bei ihm Dementia praecox, ein veralteter Sammelbegriff für schizophrene Pathologien, diagnostiziert wurde. Nach seiner Entlassung wurde er aber weitere Male interniert, sodass er beinahe sechs Jahre seines Lebens in Münsingen verbrachte.

Als 1937 der Roman veröffentlicht wurde, kam es zum Skandal. Einige Ärzte fühlten sich diffamiert, wie beispielsweise der damalige Anstaltsdirektor Ulrich Brauchli, der sich augenscheinlich im ermordeten Direktor Ulrich Borstli verbarg. Einerseits wurde eine entschädigungslose Beschlagnahmung des Buches im Berner Regierungsrat diskutiert, das allerdings nicht in die Tat umgesetzt wurde. Andererseits wurde der damalige Oberarzt Max Müller nach Bern zitiert und der psychiatrischen Klinik Waldau, der zweiten Psychiatrieanstalt des Kantons Bern, drohte eine Disziplinaruntersuchung. 

Geschichte des Psychiatriezentrums Münsingen

Da die bisherige Anstalt Waldau chronisch überbelegt war, beschloss das Berner Kantonsparlament im ausgehenden 19. Jahrhundert die Errichtung einer neuen Klinik. Das Psychiatriezentrum Münsingen wurde 1895 nach Plänen des Schweizer Architekten Paul Adolphe Tièche fertiggestellt. 

Bereits im Frühjahr 1895 nahm die «Irrenanstalt», wie sie damals genannt wurde, ihren Betrieb auf. Die grossflächige Anlage, auf der ein Block und Pavillonsystem sowie ein Naturpark errichtet wurden, war für die damalige Schweiz einzigartig. Rasch entwickelte sich Münsingen zu einer innovativen Heilanstalt, die neue Therapieverfahren anwendete.

Der oben erwähnte Oberarzt Max Müller wurde 1939, zwei Jahre nach dem von Glauser ausgelöste Skandal, bis 1954 Direktor der Heilanstalt Münsingen. Er liess die Klinik modernisieren, die dank der Anwendung somatischer Therapien wie der Insulintherapie oder die Elektrokrampftherapie sowie der Psychoanalyse auf internationale Anerkennung stiess. Seit 1925 pflegte er einen engen Kontakt zum Patienten Glauser und führte mit ihm auch eine Psychoanalyse durch. 

Das Psychiatriezentrum Münsingen heute

Heute ist das Psychiatriezentrum Münsingen (PZM) eine der grössten psychiatrischen Kliniken der Schweiz. Mehr als 3’000 Patienten werden dort jedes Jahr behandelt. 2018 wurde das PZM bei der European Foundation for Quality Management (EFQM) mit vier Sternen ausgezeichnet. Damit ist sie die einzige psychiatrische Klinik des Kantons Bern, die vier Sterne erreichte, und eine von nur drei Kliniken schweizweit. 

Besonders eindrucksvoll ist die Grünanlage rund um das Psychiatriezentrum Münsingen. Der riesige, 100’000 m2 grosse Park ist nicht nur eine einzigartige Erholungsoase, sondern besitzt auch grosse Anbauflächen für Gemüse, Kräuter und Blumen. Diese Grünanlage wird von der eigenen Gärtnerei gepflegt und betreut. 
Therapie und Parkanlage – das Psychiatriezentrum Münsingen